
Unternehmen hätten Pläne für mehr Wasserstoffprojekte angekündigt, als sie stemmen könnten, sagte Werner Ponikwar, Chef von
Thyssenkrupp Nucera, in einem Interview. Die Verfügbarkeit der Finanzierung sei nicht das Thema. Projekte erreichten vielmehr
oft nicht die Phase, in der die Entwickler sich entscheiden, zu investieren.
Der Wahlsieg von Donald Trump in den USA habe eine weitere Ebene der Unvorhersehbarkeit hinzugefügt, sagte Ponikwar. Allerdings
sei das Risiko für Wasserstoff unter der neuen Regierung wahrscheinlich geringer als bei anderen Programmen, die unter den
Inflation Reduction Act (IRA) fallen, sagte der Manager mit Blick auf das von Präsident Biden unterzeichnete Klimagesetz.
„In den nächsten fünf Jahren sprechen wir von vielleicht 400 Gigawatt an angekündigten Elektrolyseuren, die in Betrieb sein sollten. Das ist einfach unmöglich“, sagte Ponikwar. Elektrolyseure sind Maschinen, die Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Sie geltend als wichtiger Baustein für die grüne Transformation der Industrie.
Man gehe davon aus, dass die Elektrolyseur-Kapazität, die in diesem Zeitraum gebaut wird, etwa 100.000 MW betragen wird, so Ponikwar. Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte im Oktober mitgeteilt, dass die gesamte Elektrolyseur-Kapazität mit zugesagten Investitionen weltweit bei 20.000 MW liegt, davon 6.000 MW im vergangenen Jahr.
Die angekündigten Gesamtinvestitionen in Wasserstoffvorhaben belaufen sich bis 2030 laut einem Bericht der Industriegruppe
Hydrogen Council und der Beratungsfirma McKinsey auf 680 Milliarden Dollar. Es sind aber nur 75 Milliarden Dollar, wenn man nur die Projekte mit zugesagter Finanzierung betrachtet.
„Es handelt sich lediglich um eine Neukalibrierung, einen ganz natürlichen Reifungsprozess einer jungen Branche“, kommentierte
Ponikwar. „Wir sollten darüber nicht allzu überrascht und nicht allzu besorgt sein.“ Für Saudi-Arabiens futuristische Stadt
Neom, das größte Wasserstoffprojekt, in das Thyssenkrupp Nucera involviert ist, erwartet er keine Verzögerung.
Als Märkte mit dem größten Potenzial sieht das Unternehmen die USA und Europa. Ponikwar warnt aber, dass die Entwicklung durch
regulatorische Unsicherheit ausgebremst wird. Sowohl in den USA als auch in Europa warteten die Entwickler darauf, dass neue
Regeln umgesetzt werden.
Ponikwar appellierte an die EU, die Regeln zu lockern, um das Wachstum der Branche zu unterstützen. „Dies sollte sehr schnell
geschehen, denn wir können es uns nicht leisten, noch zwei Jahre lang Debatten und Diskussionen in der Europäischen Union
zu führen, bevor irgendetwas vereinbart oder beschlossen wird“, sagte er. Solche Änderungen würden die Produktion von Wasserstoff
zu niedrigeren Kosten ermöglichen.
Der Stahlhersteller Arcelormittal und der Energieversorger RWE hatten in diesem Monat erklärt, dass der europäische Wasserstoffmarkt
nicht so schnell voranschreite wie erwartet.
Donnerstag, 28.11.2024, 10:26 Uhr